Die letzte Plage by Emily Benedek

Autor:Emily Benedek [Benedek, Emily]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2012-02-17T23:00:00+00:00

TEIL 3

Kapitel 12

Bagdad, 20. Mai

Morgan Ensley saß in einem beengten Bürotrakt, den man als Übergangslösung in einem von Saddams früheren Palästen in der Grünen Zone eingerichtet hatte. Er und sechs andere Spezialagenten aus seiner Einheit durften nun ein Büro ihr Eigen nennen – allerdings mussten sie es sich mit dem Geheimdienst der Armee teilen. Das Gebäude besaß den Charme eines geschmacklosen Mausoleums. An den massiven Marmorwänden hingen Plastikplanen, und die riesigen Räume waren mit Sperrholzplatten in Arbeitskabinen aufgeteilt worden, die alle mit Satellitentelefonen und Laptops ausgestattet waren. Vertrauliche Informationen konnte man über verschlüsselte Leitungen weitergeben, allerdings musste man dafür einen speziellen Antrag stellen.

Vor drei Tagen hatte Ensley bei der Befragung eines jungen Mannes mitgewirkt, der versucht hatte, sich auf einem Marinestützpunkt zur Essenszeit in die Luft zu sprengen. Daher musste er nun das Formular FD 302 ausfüllen und dann mittels elektronischer Kommunikation, auch ›EC‹ genannt, weiterleiten. FBI-Agenten verständigten sich untereinander nicht über E-Mails. Mitte der 90er Jahre, als das Internet einen gesellschaftlichen Bereich nach dem anderen verändert hatte, hatten die in den oberen Etagen einen heroischen letzten verzweifelten Versuch bewilligt, die Organisation von der galoppierenden Kommunikationsrevolution fernzuhalten. Ihre tapfer verteidigte Vision hatte zu der Einrichtung eines internen Netzwerks geführt, das, in weniger als zehn Jahren, antiquiert, schwerfällig und gefährlich langsam geworden war. ›EO‹ bezeichnete nicht nur das System, sondern auch die jeweils erste Seite einer solchen Kommunikation, die eine Inhaltsangabe, Details und administrative Einzelheiten enthielt.

Sobald er dieses EC vollständig ausgefüllt hatte, würde Ensley es an die informierten Parteien weiterleiten, die dann auf die vertrauliche Information reagieren würden. Es handelte sich hierbei um den Verbindungsbeamten, den so genannten Legal Attaché des FBI auf der anderen Seite der Grünen Zone. Für diese Weiterleitung war es nicht nötig, die geheimen technologischen Kanäle des FBI in Anspruch zu nehmen. Stattdessen musste Ensley sich von seinem neuen Schreibtisch erheben und die Floppy-Disk zu dem Verbindungsbeamten bringen, der die Dokumente – dieses Mal mit Lichtgeschwindigkeit – an das Hauptquartier übersenden würde. Von dort würde es dem amerikanischen Militär und den Geheimdiensten zugestellt werden. War der Selbstmordattentäter bereits bekannt? Was wusste das FBI über ihn? War er einer bereits bekannten Terroristengruppe zuzuordnen? Wenn das der Fall war, was wusste man über die Motivationen dieser Gruppe, über ihre Aktionen in der Vergangenheit und ihre Pläne für die Zukunft?

Unter normalen Umständen konnten diese Fragen nicht beantwortet werden. Oder sie würden erst zu einem Zeitpunkt Aufschluss geben, an dem es eigentlich zu spät war und einer Verhöhnung gleichkam.

Das wollte Morgan dieses Mal nicht riskieren, also hob er den Telefonhörer ab. Er wusste, dass er an jedem normalen Ort jetzt die örtlichen Vollzugsbehörden kontaktieren müsste – natürlich über die jeweiligen Verbindungen des FBI. Aber Bagdad war alles andere als ein normaler Ort. Bei wem sollte er sich jetzt Informationen beschaffen? Bei der örtlichen irakischen Polizeidienststelle? Natürlich hatten diese hartnäckigen Sicherheitsbehörden über die letzten Jahrzehnte sorgfältig ausführliche Akten über alle bekannten oder verdächtigen politischen Agitatoren angelegt. Da jedoch viele dieser Aufwiegler mittlerweile tot waren oder sich in gehobeneren Positionen in der von

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